Yoga ist auch nicht mehr das, was es mal war

Nach einer Yogastunde voll von Reizüberflutung und gescheiterter Sexyness stellt unsere Autorin ernüchtert fest: Nicht alles, was dich wie ein Hund fühlen lässt, ist Yoga.

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Das erste Mal seit langem gehe ich wieder zum Yoga. Es ist nicht so wichtig, in welches Studio genau, es steht stellvertretend für eine ganz bestimmte Sorte Yogastudio. Die Sorte Studio, deren Logo einer mit Canva erstellten Hochzeitseinladung gleicht, mit modernem Lichtkonzept und Luftbefeuchter, den man als solchen aber nicht erkennen soll.

Die Yogalehrerin stellt sich als Barbara vor und begrüßt mich mit der Frage, ob ich schon ganz viel Yoga gemacht habe. Ich frage, ob das für diesen Kurs nötig wäre. Sie antwortet, dass ich ja jetzt sowieso hier bin. Ich schreibe meiner besten Freundin: Bin jetzt beim Yoga, werde glaube ich gleich gefi***, packe mein Handy in den Spind und suche mir eine Matte im hinteren Drittel des Raums.

Die Stunde steht unter dem Motto Flow on Beat, wobei ich nicht ahnte, dass mit jenem Beat Charts aus den 2000ern gemeint sind. Wir fangen an, eine Choreo zu durchwellern. Links und rechts sind auf die Schnelle gar nicht so leicht zu unterscheiden, und ich fühle mich genauso deplatziert wie damals beim Tanzen, als mein Babyspeck nicht in die Leggings passte.

Ich bin wirklich keine Yogaexpertin, sicher kenne ich viele Asanas nicht. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass Barbara einige Übungen freestylt. Der Helikopter beispielsweise ist mir gänzlich neu und auch beim Sexy Leg oute ich mich als Anfängerin. Frust macht sich breit, und zwar nicht (nur), weil ich der Choreo hinterhereiere, sondern weil ich mich um das Versprechen von Entspannung betrogen fühle. Seit wann muss man beim Yoga sexy sein? Die Matte ist ein sexappealfreier Raum!

In der achten Wiederholung der Choreo läuft Saved my life von Sia auf voller Lautstärke, das moderne Lichtkonzept brennt auf meiner Netzhaut, und ich kann nicht anders, als darüber nachzudenken, was die indischen Begründer:innen des Yoga über diese durch und durch weiße Interpretation ihrer Philosophie denken würden. Ich suche verzweifelt nach den Blicken von Gleichgesinnten, nach einem Stirnrunzeln, mit dem man sich stillschweigend auf die Komik der Situation einigt. Die Yogalehrerin klatscht zweimal schnell, was bedeutet, dass wir unsere Mermaid preppen sollen. Mein Blick schweift vergeblich suchend durch das Lululemon-Meer* vor mir, die Crowd dreht noch eine Runde mit dem Heli.

Mit der Entspannung wird es an diesem Dienstagabend wider Erwarten nichts, dafür bekomme ich einen wertvollen Gedanken (in den 15 Euro inbegriffen) mit auf den Heimweg. Die Details spare ich hier aus; die Kernaussage der Predigt war jedenfalls: Barbara ist durch die siebenminütige Sprachnachricht eines Freundes auf die tolle Aussage Heiter weiter gestoßen, die sie gern mit uns teilen möchte. Weniger Sorgen und einfach heiter weiter, das wünscht sie uns.

Es wäre mega unreif und kindisch von mir, die arme Yogalehrerin für den Schmerz dieser Welt verantwortlich zu machen, wo sie doch nur versucht, für gute Stimmung zu sorgen. Leider bin ich unreif und kindisch, weswegen ich andächtig meinen Blick nach unten auf die Matte richte, wie wenn man in der Kirche das Lachen zurückhält. Welche Lektion ich aber definitiv mit auf den Heimweg nehme: Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und nicht alles, was dich wie ein Hund fühlen lässt, ist Yoga. Und während Barbara in der Schlussentspannung dazu auffordert, den letzten negativen Gedanken des Tages loszulassen, denke ich mit angespanntem Kiefer schon nur noch an diesen Text.

*Frauen können tragen, was sie wollen, Punkt. Was viele Menschen vermutlich nicht wissen: Lululemon ist mit jeder Faser des Unternehmens das Gegenteil von Yoga. Mehr dazu findet ihr in diesem Beitrag.

Anmerkung: Diese Welt braucht nicht noch mehr Whitesplaining darüber, was Yoga eigentlich ausmacht, deswegen checkt doch den tollen Podcast ‘Yoga is Dead’ von Tejal Patel und Jesal Parikh aus.

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Nein man, ich will noch nicht geh’n!