25, und jetzt?

Anekdoten aus der Quarter-Life-Crisis

Das erste Lebensquartal ist geschafft, die ersten großen Entscheidungen wurden getroffen und das Grübeln beginnt. Wie geht es weiter? Habe ich das Richtige studiert? Will ich mein Leben lang im Büro sitzen? Wofür überhaupt noch 40h arbeiten? Wer bin ich überhaupt und wie will ich sein?

"What now?" Grafiti auf einer Wand mit einem ratlosen Emoji.

© Unsplash/Tim Mossholder

Alle sprechen immer von der peinlichen Midlife-Crisis. Die unscheinbare Frau, die sich mit 52 zu einer Affäre bekennt und nach 20 Jahren vermeintlich unerfüllter Ehe ihr Glück in einer Internetbekanntschaft findet. Oder der Mann, der sich nach seiner Scheidung mit 56 einen babyblauen Porsche kauft und mit aufgestelltem Lederkragen auf seinem Tinderprofil semi-erfolgreich nach 18-30-jährigen Frauen in seiner Umgebung sucht. Aber wer spricht von der allzu realen Quarter-Life-Crisis? Was ist mit den Gedanken und Sorgen der Generation zwischen Y und Z, um Sinnlosigkeit, um Zukunftspessimismus, ums lost sein?

Aber nochmal einen Schritt zurück. Disclaimer: Die folgenden Ausführungen treffen natürlich nicht auf die Realitäten aller zu, jedoch würde ich behaupten, dass viele Leute Mitte/Ende 20 einige Gedanken teilen werden. Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass ich aus einer sehr privilegierten Sicht schreibe, die keine Existenzängste, Diskriminierung oder andere schlimme Erfahrungen beinhaltet.

Ich möchte diese Zeilen allen widmen, die sich gerade genau an diesem Punkt in ihrem Leben befinden. Sie sollen die Leute erreichen, deren Sorgen gerne belächelt werden. Und bevor sich dieser Text in einen generischen Ratgeber verwandelt, sollte klargestellt werden, dass ich hier keine Lösung oder Heilung anbiete, sondern Trost durch kollektives „Leiden“, denn DU bist nicht allein und es ist alles halb so schlimm, wenn man weiß, dass das nicht so ist, oder?!

Meine Absicht ist es auch nicht, schwarzzumalen und Probleme dort aufzumachen, wo vielleicht gar keine sind. An alle, die ihre Zwanziger in vollen Zügen genießen und sich hier nicht wiederfinden: Super, weitermachen! Für alle anderen: Buckle up, wir gehen tiefer rein!

Die verfluchten 25.

Mit 18, 19 und auch noch mit 20 ist alles fantastisch, keine:r weiß so richtig, wo es hingeht, aber das Mantra von "Du bist noch so jung, du musst das jetzt noch nicht wissen" siegt in diesem Alter noch über die deutsche Hustle-Culture. Die unschuldige Naivität gepaart mit der Euphorie des neuen Studiums, des Work-and-Travel-Jahres, des neuen Jobs, es ist aufregend! Wir verändern uns, finden und verlassen Freund:innen, daten und probieren aus. Machen gute und schlechte Erfahrungen. Alles scheint so greifbar wie noch nie und gleichzeitig noch meilenweit entfernt. Und dann ist man plötzlich 25 und während immer noch alles meilenweit entfernt wirkt, fühlt es sich fünf Jahre später nicht mehr wie Gelassenheit, sondern eher nach verpassten Chancen und vertrödelter Zeit an. Die Frage nach der Zukunftsperspektive wird auf einmal nicht mehr ermutigend relativiert, sondern zu einer ernsthaften Konversation über konkrete Pläne und leidenschaftslose Werkstudierendenjobs. Und spricht man beim Gynäkologen den unregelmäßigen Zyklus an, wird plötzlich nicht mehr nur eine Hormonbombe empfohlen, sondern auch das Präparat für den Kinderwunsch - "falls es dann mal so weit sein sollte". Wo ist die Zeit hin?, fragt man sich.

The real Impostor oder die Anderen.

Ich könnte hier jetzt ganz klassisch die Quarter-Life-Crisis anhand des gern zitierten Vier-Phasen-Modells von dem Psychologieprofessor Oliver Robinson erklären, Ergebnisse von Befragungen und historische Entwicklungen präsentieren. Dann hätten wir wahrscheinlich alle nochmal was dazu gelernt, aber so ein Artikel wird das nicht. Vielmehr möchte ich gänzlich frei vom Anspruch auf Vollständigkeit, anekdotisch Sorgen aufgreifen, die Teile meiner Generation beschäftigt.

Ein großes Thema, welches besonders durch Plattformen wie Instagram und LinkedIn potenziert wird, ist der ständige Vergleich mit Anderen, der die eigene Lebenssituation nie besser, sondern immer defizitär aussehen lässt. „Helen, möchtest du Lisa zu ihrem neuem Job gratulieren?“ Martin: „Ich freue mich zu verkünden, dass ich nun meine Stelle als Junior Marketing Manager bei Flink antreten werde!“ LinkedIn reibt einem die Erfolge der Anderen unter die Nase, wie eine chronisch kritische Mutter, die sich lieber ein richtiges Studium für ihren Sohn gewünscht hätte und für die im Homeoffice arbeiten, rumgammeln bedeutet.

Wie sind die Anderen dahin gekommen, wo sie jetzt sind? Was sind meine Kompetenzen und was befähigt mich IRGENDEINEN Job besser auszuüben als meine Mitbewerber:innen? Spätestens nach dem Abschluss des ersten oder auch zweiten Studiums stellt man sich die Frage, was man jetzt eigentlich genau kann. Und was noch viel verunsichernder ist, als die wachsenden Erfolge und Skills der eigenen Kommiliton:innen zu beobachten, ist, von denselben Kommiliton:innen zu hören, wie sie sich selbst als Impostor bezeichnen. Wenn DIE schon sagen, dass sie sich mit ihren Abschlüssen und Lebensläufen wie Hochstapler:innen vorkommen, was bin ICH denn dann? The real Impostor.

Das ständige Vergleichen und Bewerten der eigenen Fähigkeiten ist zwar (leider) völlig normal, aber vor allem auch der größte Killer für das Selbstvertrauen. Und wenn wir uns alle insgeheim wie Hochstapler:innen vorkommen, während wir uns bei potenziellen Arbeitgebenden mit unseren SKILLS und unbezahlten Praktika anbiedern, dann überschätzen wir vielleicht einfach den tatsächlichen Standard von Mitte 20 Jährigen Absolvent:innen. Könnte natürlich auch daran liegen, dass man für die beliebtesten Jobs quasi schon im Kindesalter die erste Arbeitserfahrung sammeln sollte. Besonders im Bewerbungsprozess muss man sich dann also gezwungener Maßen damit auseinandersetzen, ob das Studium wirklich so zielführend für den gewollten Job war, ob dieser Job wirklich immer noch so gewollt ist und was man alles hätte anders machen müssen, um dahin zu kommen, wo man jetzt gerne wäre.

Wer bin ich eigentlich und wer will ich sein?

Als wäre die deutsche Hustle Culture nicht schon Druck genug, findet man sich in Großstädten wie Berlin zunehmend zwischen vermeintlichem Überangebot an Möglichkeiten und dem notorischen Drang der Selbstverwirklichung oder Individualisierung wieder. An guten Tagen stellt man dann vielleicht nicht nur die Berufswahl oder den eigenen Style in Frage, sondern auch was einen als Person überhaupt ausmacht. Was sind eigentlich meine Hobbies? Habe ich eine Leidenschaft? Es bleibt nämlich nicht mehr viel übrig, wenn man sich weder mit dem Studium, noch mit dem Job so richtig identifizieren kann, und auch für sonst nichts brennt.

Es folgt die nächste Phase, in der man sich dem stellt, wer und was man denn sein will. Anstatt auf die eigenen Erfolge, Meilensteine und positive (gegebenenfalls auch negative) Erfahrungen zurückzublicken und sich selbst auf die Schulter zu klopfen, keimt in manchen von uns der Gedanke sich nochmal komplett neu zu erfinden. Vielleicht ein neues Studium? Ein Retreat in Indien? Doch lieber single sein? Neue Frisur? Das Äquivalent zum babyblauen Porsche.

Wozu das alles? - Zukunftspessimismus.

Man könnte fast sagen, es ist wie eine zweite Pubertät. Wir versuchen in ein Leben mit viel zu ernsten 40-Stunden-Jobs, Rechnungen und Erwachsenenkram reinzuwachsen, welches einem weder erfüllend noch bequem erscheint. Das wäre alles halb so wild, wenn diese temporäre Unbequemlichkeit den Ausblick auf ein sorgenfreies Leben mit Eigenheim, ausreichender Rente und ohne fortschreitenden Klimawandel böte.

Doch all das scheint für uns mittlerweile utopisch. Was bleibt also anderes übrig, als das Beste rausholen zu wollen aus der Karriere, die uns die nächsten 42 Jahre einnehmen wird. Während Boomer-Arbeitgebende die Gen Z teilweise als faule Hedonisten bezeichnen, suchen wir bei Indeed und Stepstone nicht nach frischem Obst und flachen Hierarchien, sondern verzweifelt nach unserem PURPOSE.

Aber jetzt ernsthaft.

All Jokes aside. Soviel man sich auch in gleichaltriger Gesellschaft über Orientierungslosigkeit belustigt und mit Galgenhumor die eigene Krise salonfähig macht. Für manche ist es eben nicht nur eine leichte Besorgnis im Hintergrund, sondern eine erdrückende Last von zermürbenden Gedanken, die sich rasant zu einer Depression oder Angststörung entwickeln können. Deshalb nehmt es ernst, wenn sich jemand mit diesen Sorgen an euch wendet oder wenn ihr selbst betroffen seid. Und für die nicht ganz so schlimmen Fälle: Ich habe mir sagen lassen, dass sich das irgendwann einpendelt. ;)

Hilfsangebote

Die Telefonseelsorge unter 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 ist jederzeit erreichbar.

Deutschlandweites Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei).

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 „Wenn‘s um’s Meckern geht, dann bin ich die Falsche“ 

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