Warum ist uns die Periode peinlich?

Die Menstruation wird noch lange nicht als das behandelt, was sie ist: völlig normal. Die psychologischen Hintergründe der Selbstobjektifizierung geben Aufschluss über Period Shame.

Ausstellungsansicht. © Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen. „Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation“/ Foto: Helen Albrecht

Ein möglichst diskretes Täschchen mit Tampons und Binden in der Handtasche, der schnelle Griff in die Hosentasche.

„Kannst du mal gucken, ob man meine Binde hinten sieht??“

Eine Packung Dolormin für Frauen immer dabei, die beschönigte Nachricht über Kopfschmerzen o.Ä. an Arbeitgebende bezüglich der Unpässlichkeit alle paar Monate.

So sieht die Lebensrealität noch immer für viele menstruierende Personen aus. Langsam gewinnt das Tabuthema Menstruation durch feministische Aufklärungsarbeit jedoch zunehmend an Sichtbarkeit und offenerem Umgang. Medial wird #periodpower und die historische Entwicklung der Tabuisierung schon seit einigen Jahren immer wieder bearbeitet. Dennoch sind wir gesamt-gesellschaftlich noch weit davon entfernt, die Menstruation als das zu behandeln, was sie ist: völlig normal.

(Selbst-)Objektifizierung und Menstruationsscham

Die meisten Personen, die den medialen Diskurs mitverfolgen, wissen bereits, warum die Menstruation so tabuisiert ist. Und warum menstruierende Personen oft so gehemmt in ihrer Kommunikation sind, vor allem in der Gegenwart von cis-Männern. Die Gründe dafür sind vielfältig: Über lange Zeit hinweg etablierten sich Mythen über die Unreinheit der Menstruation. Das Framing in der Werbung für Menstruationsprodukte manifestierte Diskretion als oberste Priorität. Mangelnde Aufklärung und Forschung, sowie wenig bis gar keine offene Kommunikation trugen ebenso dazu bei. Wenn man die Scham der Menstruation im Kontext der historischen (und noch aktuellen) sexuellen Objektifizierung von Frauen* betrachtet, wird eine weitere zu Grunde liegende Problematik erkennbar: die Selbstobjektifizierung als Ursache für Period Shame.

Die sogenannten Critical Menstruation Studies oder Gender Studies, sowie die Psychologie setzen sich mit genau dieser Problematik auseinander. Beim psychologischen Phänomen der Selbstobjektifizierung handelt es sich um eine 1997 publizierte Theorie der Forscherinnen Barbara L. Frederickson und Tomi-Ann Roberts.  Aus dieser Theorie geht hervor, dass Frauen häufig eine internalisierte objektifizierende Perspektive auf ihren eigenen Körper haben. Ursache dafür ist das Umfeld, in welchem Frauen* heranwachsen und sozialisiert sind. Der weibliche Körper wird in den unterschiedlichsten Arten sexualisiert und objektifiziert.

Daraus resultiert eine habitualisierte Selbstobjektifizierung, welche Frauen* in erster Linie aus der Sicht eines Beobachters auf ihren eigenen Körper blicken lässt. Sie bewerten ihn dementsprechend anders. Diese antrainierte Fremdbewertung dient Betroffenen als Selbstschutz, um zu antizipieren, wie sie in der realen Welt behandelt werden bezüglich ihres Aussehens und Verhaltens. Durch das Verändern, Verstecken und Akzentuieren bestimmter Attribute, sind Frauen* daran gewöhnt, ein gewisses äußeres Idealbild zu verfolgen. Gefühle wie Scham und Angst werden verstärkt.

Patriarchale Ideale des Frauenkörpers

Was hat nun die (Selbst-)Objektifizierung mit der Menstruation zu tun? Den Zusammenhang von Selbstobjektifizierung und menstruellem Schamgefühl konnte Roberts schließlich einige Jahre später mit einer Studie nachweisen. Frauen, die ihren Körper stärker unter dem Aspekt der sexuellen Objektifizierung betrachteten, zeigten auch ein stärkeres Schamgefühl, teilweise sogar Ekel, gegenüber der eigenen Periode. Grund dafür sei die in der westlichen, patriarchal geprägten Gesellschaft verankerte Assoziation von natürlichen Körperfunktionen, -ausscheidungen und -gerüchen mit animalischen Merkmalen. Der ideale Frauenkörper ist glatt, haarlos, riecht frisch und blutet nicht (to be continued). Dieses verinnerlichte Idealbild und die gewohnheitsmäßige Bewertung des eigenen Körpers resultieren demnach in dem gewollten Verstecken der monatlichen Blutung.

Während die Menstruation also historisch in kulturellen, sozialen oder religiösen Kontexten ganz offensichtlich als eklig und schamhaft behandelt wurde bzw. wird, zeigt die Korrelation von Selbstobjektifizierung und Menstruationsscham eine weitere Facette der Ursachen für Period Shame. Auch wenn diese Studien bereits einige Jahre zurück liegen, sind die Zusammenhänge nach wie vor aktuell. Sie werden u.a. zum Anlass genommen, weitere nahliegende Aspekte zu bearbeiten und zu erforschen.

Läuft.

Warum genau jetzt noch ein Beitrag zum Period Shame? Aktuell gibt „Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation“ im Museum für europäische Kulturen in Berlin, Anlass dazu, das Thema noch einmal genauer zu beleuchten. Jahrelange Tabuisierung, mangelnde Forschung, falsche Informationen und gesellschaftliche Konstrukte haben eine Vielzahl von Problemfeldern hinterlassen, die nun aufgearbeitet werden (müssen).

In vier Abschnitte unterteilt, führt die Ausstellung durch die Geschichte der Unterwäsche und Menstruationsprodukte. Sie behandelt Aufklärung und aktuelles Wissen, verschiedene Diskurse rundum die Menstruation, wie bspw. Werbung und zeigt abschließend Bezüge zu Popkultur und Kunst. Für Menschen, die sich weiterbilden und ihr bisher mangelhaftes Peri-Know-How aufbessern möchten: ein Must-Do. Für Leute, die denken, sie wissen schon alles, trotzdem eine interessante Aufarbeitung der relevantesten Aspekte. Ein besonderes Highlight ist die Diashow mit fiktiven Bildern aus der Werbung und Memes zu der Frage: Was wäre, if men had periods?

Anmerkung:

Da sich die Theorie und Studienergebnisse auf Frauen* beziehen, wurde in diesem Textabschnitt bewusst nicht von menstruierenden Personen geschrieben. Natürlich betreffen alle anderen Bezüge zur Menstruation nicht nur Frauen*, sondern alle Menschen mit einer Menstruation und umgekehrt haben nicht alle Frauen* eine Menstruation.

Quellen

Bobel, C., Winkler, I. T., Fahs, B., Hasson, K. A., Kissling, E. A., & Roberts, T.-A. (Hrsg.). (2020). The Palgrave Handbook of Critical Menstruation Studies. palgrave macmillan. https://doi.org/10.1007/978-981-15-0614-7

Fredrickson, B. L., & Roberts, T.-A. (1997). Objectification Theory: Toward Understanding Women's Lived Experiences and Mental Health Risks. Psychology of Women Quarterly, 21(2). https://doi.org/10.1111/j.1471-6402.1997.tb00108.x

Roberts, T.-A. (2004). Female Trouble: The Menstrual Self-Evaluation Scale and Women's Self-Objectification. Psychology of Women Quarterly, 28(1). https://doi.org/10.1111/j.1471-6402.2004.00119

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